Während heutzutage mit modernen Computern und geeigneter Software unbegrenzt Bilder in HD oder 4K Auflösung gemischt und über HDMI digital projiziert werden entwickelt Michael Egger mit Hilfe seines Bruders Max immer noch hartnäckig an komplett obsoleter Technologie aus dem letzen Jahrhundert – mit modernen Ansätzen in die scheinbar falsche Richtung, zurück zu weniger Pixeln, weniger Detail – zurück zu den verwaschenen, ineinanderlaufenden Farben der Fernsehwelt der 80er Jahre.
Das ANYMIX21 ist ein analoges 12-Kanal Mischpult welches Signale von Gleichspannung bis ca 10Mhz verarbeiten kann – also von CV (control voltage) über Audio bis zu SD-PAL Videosignalen.
Wieso der ganze Aufwand?
Egger fasziniert seit jeher Video als Signal: Mehr als Bildinhalte, mehr als die Tatsache, dass das Medium Video es ermöglicht kostengünstig Filme zu produzieren, interessiert ihn, dass mit Video in Echtzeit Bilder eingefangen, hergestellt, modifiziert, übertragen, vervielfältigt und wiedergegeben werden können. Video bietet sich als darstellende Kunst – steht so dem Medium Theater und Musik näher als dem Kino.
Egger beginnt mit alten Videokameras und einem kleinen Videomischer Improvisationsmusik zu machen. Die Möglichkeiten sind dazumal begrenzt, die Geräte nicht für diesen Zweck gebaut. Wie viele andere geht er ab der Jahrtausendwende den digitalen Weg, entwickelt eigene Instrumente als Controller für selbstgemachte Software. Aber Computer stürzen regelmässig ab, geraten ins Stocken oder funktionieren nach einem Softwareupdate kurz vor einem Konzert nicht mehr so wie vorher. Vor allem aber stört Egger die Latenz, die kleine Verzögerung zwischen einer Manipulation und dem Resultat auf dem Bildschirm, welche sich anfühlt als ob man immer ein wenig daneben steht.
Also zurück zu analoger Fernsehtechnologie. Latenz ist hier kein Thema. Wir haben es mit einem rein elektrischen Signal zu tun welches sich quasi in Lichtgeschwindigkeit von A nach B ausbreitet und in welches man jederzeit “reinfassen” kann. Zusammen mit Flo Kaufmann und Max Egger entwickelt Michael seit 2010 den SYNKIE, ein modulares System zum Bearbeiten und Synthetisieren von analogen Videosignalen.
Aber sobald Signale in der Mehrzahl sind, müssen sie irgendwann auf einen Ausgang abgemischt werden. Wir brauchen ein Mischpult!
Konventionelle Videomischer sind fürs Fernsehen gemacht: von einer Kamera zu einer anderen überblenden, vielleicht noch ein drittes Bild oder eine Schrift dazu.
Eggers Ansatz zum Bild hat mit Fernsehen wenig zu tun. Hier geht es darum verschiedenste Rückkoppelungsschlaufen zu bilden, unterschiedliche Quellen gleichzeitig teils bis zur Unkenntlichkeit ineinanderzuschichten, gezielt und sehr dosiert kleine Unreinheiten als Samen für Videofeedback einfliessen zu lassen. Sein musikalischer Ansatz zum Bild verlangt nach einem Gerät welches eher einem Tonmischpult gleicht: Da sind viele genau gleich gebaute Eingangskanäle welche es erlauben den Klang über Equalizer anzupassen und auf einen oder mehrere Ausgänge zu summieren.
Das ANYMIX21 wird – wenn es fertig ist – 12 solche Kanäle haben. Jeder Kanal ist im Prinzip ein eigenes SYNKIE Rack mit über 10 fest verbauten Modulen. Jeder besitzt einen Videoeingang (BNC), verschiedene CV Eingänge und einen kleinen Monitor wo das Eingangssignal (pre) oder Effektsignal (post) vorgeschaut werden kann. Am Equalizer lassen sich bestimmte Frequenzen im Signal anheben oder abschwächen – in diesen Fall sind das die Farbträgerfrequenz von ca. 4.3Mhz (-> mehr oder weniger Farbe aber auch “knackigkeit”), ca 16khz (horizontale Unschärfe) und ein Tiefpassfilter (generelle Unschärfe). Ein zuschaltbarer Bandpassfilter hebt Konturen im Bild heraus. Ebenso zuschaltbar ein Komparatormodul welches das Bild binär in schwarz und weiss umwandelt, sowie ein Inverter. Zuletzt lässt sich Kontrast und Helligkeit nochmals anpassen. Das Mischpult bietet vier Ausgänge: 3 Hauptbusse (A,B,C) und ein Nebenbus (AUX).
Durch die vielen Kombinationsmöglichkeiten entsteht ein riesiges Experimentierfeld zum kreativen Verschmelzen von Bild und Ton und der Mixer wird zum eigentlichen Musikinstrument.
Kurze Präsentation, realisiert während “H.o.Me. – Heim für obsolete Medien” Kunsthaus Langenthal